120 Jahre Kleingartenverein „Gartensparte Abendfrieden“ e.V.

120 Jahre sind eine sehr lange Zeit, schauen wir auf diese 120 ereignisreichen Jahre mit einem kurzen Streifzug zurück, denn die Gartensparte bzw. der Verein hat in dieser Zeit viel erlebt, allein 5 Staatsformen.
Es war noch im Kaiserreich, als die Firma Luis Hermsdorf aus Wittgensdorf 1897 ihr nicht benötigtes Wiesengrundstück (ca. 14.000 qm) an den Baumeister Robert Wolf verpachtete. Und der wiederum verpachtete es in kleinen Parzellen weiter, übrigens für 10 Pf den Quadratmeter, das war für die damalige Zeit sehr viel Geld, deswegen existieren Gartengrößen von 180 bis 250 qm.
So entstand die erste Gartensparte, bis zur Gartenreihe 58 – 60. Es war aber noch kein Verein, der wurde am 23.05.1903 gegründet und mit dem Namen Transvaal ins gerichtliche Vereinsregister eingetragen. Der erste Vorstand hieß Karl Mai, leider war er nicht der berühmte Schriftsteller Karl May.
Aber da war noch ein großes Wiesengrundstück bis zur Emilienstraße, im Besitz des Seilermeisters Oertel, welches durch die Stadtwirtschaft und dem Versorgungsdepot des Pharmaziehandels bewirtschaftet wurde, dies wurde 1906 auch in kleine Parzellen aufgeteilt, ein zweiter Gartenverein wurde gegründet und mit dem Namen Oranje Freistaat ins Vereinsregister eingetragen. Der erste Vorstand hieß Anton Uhlmann.
Wieso aber gerade diese Namen? Ganz einfach, aus Sympathie für die Buren, die von den Niederlanden und Deutschland nach Südafrika ausgewandert sind und dort in den Provinzen Transvaal und Oranje Freistaat lebten und zur damaligen Zeit Krieg mit England führten.
In beiden Gartensparten wurden Kartoffeln und Gemüse angebaut und kleine Geräteschuppen aufgestellt, man bedenke, es gab noch keinen Strom und keine Wasserleitung, aber es gab einen Fluss Chemnitz in der Nähe, so war die Bewässerung kein Problem und die elektrischen Gartengeräte wurden ja erst später erfunden.
1912 wurde in 3 jähriger Bauzeit ein unterirdischer Vorfluter gebaut. Dies betraf beide Gartensparten, denn in dieser Zeit mussten Gärten geräumt werden. Heute kann man noch im Garten Nr. 58 einen oberirdischen Teil des Bauwerkes sehen.
Mit Beginn des ersten Weltkrieges wurde die Selbstversorgung aus den Gärten, aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Familien, durch Tierhaltung (Schafe, Ziegen, Kaninchen, Hühner) in den Gärten erweitert.

Nach Beendigung des 1. Weltkrieges, wir befinden uns jetzt in der Zeit der Weimarer Republik, gab es einen Aufschwung in beiden Gartensparten, es wurde ein Getränkeverkauf aus dem Garten Ernst Roscher organisiert, dabei traf man sich so nebenbei und das gefiel allen so gut, dass der Gartenverein Transvaal sich entschloss 1923 ein Gartenheim mit Bewirtschaftung zu bauen. Das erforderte aber die Aufnahme eines Kredites.
Doch der starke Zuspruch und der finanzielle Erfolg veranlassten auch den Gartenverein Oranje Freistaat 1925/26 ebenfalls ein Gartenheim zu bauen, was unter erheblichen Schwierigkeiten entstand, weil dort keine direkte Zufahrt existierte. Es gab nur schmale Gartenwege von der Emilienstraße her. Dieses Heim wurde aus finanziellen Gründen aber nicht durch einen ständigen Wirt bewirtschaftet, dies übernahmen reihum die Vereinsmitglieder.
Bis 1929 wurde das Vereinsheim von Transvaal umgebaut und vergrößert und erhielt einen Trinkwasseranschluss. Der Verein trat dem Kreisverband der Kleingärtner bei.
1930 wollte die Deutsche Post auf dem Grundstück des Vereins Oranje Freistaat bauen, deswegen sollten die Gartenpächter nach Auerswalde in eine neu gegründete Gartensparte ausweichen. Nur die wenigsten waren gewillt, ihren Garten aufzugeben bzw. zu wechseln. Es ist nicht überliefert, warum das Bauprojekt der Deutschen Post nicht realisiert wurde, es blieb jedenfalls alles beim Alten.
1933 wurde der Pachtpreis von 10 Pf/qm auf 2,5 Pf gerichtlich herabgesetzt.
1934 wurde das Vereinsheim von Oranje Freistaat geschlossen, die Konzession wurde gelöscht und die Verbindlichkeiten gegenüber der Schloßbrauerei in Höhe von 1.200 RM durch einen Vergleich mit 400 RM abgegolten. Dieses Heim wurde später 1936 der Hitlerjugend überlassen und zwar für 1 RM/Monat. Es ist durch Schriftverkehr überliefert, dass sich danach die Beschwerden über Lärm usw. häuften.
In diesem Jahr (1934) folgte der Zusammenschluss der beiden Vereine, es wurden neue Wege angelegt, um die Verbindung zum Verein „Transvaal“ herzustellen. Es gab jetzt nur noch einen Gartenverein, der mit den Namen „Transvaal“ weitergeführt wurde, dieser besaß mit Stand 1939 108 Gärten und 25 Gartenanwärter (Interessenten).
In der Bombennacht am 05.03.1945 entstand in der Gartenanlage großer Sachschaden. Beide Gartenheime wurden zerstört. Zur Verwüstung kam die Plünderung der Gärten, aber, die Vereinsmitglieder haben nicht aufgegeben und haben unmittelbar nach Beendigung des 2. Weltkrieges angefangen die Kriegsschäden zu beseitigen, um die Anlage wieder aufzubauen. Gleichzeitig erfolgte der Ausschluss der aktiven Nazimitglieder aus dem Verein.

Dann kam es zum endgültigen Zusammenschluss beider Vereine und zur Umbenennung in „Gartensparte Abendfrieden“. Trotz vieler Probleme gab es in dieser Zeit Initiativen zur Neubelebung des Spartenlebens. Das Gartenheim von ehemals Transvaal konnte mit hunderten Stunden freiwilliger Arbeit wieder hergestellt werden und ca. 1950 bzw. 1951 wieder öffnen. Es sei auch daran erinnert, dass damals Lebensmittelkarten existierten, was eine Versorgung mit Speisen erschwerte. Das Gartenheim von ehemals Oranje Freistaat konnte nicht wieder aufgebaut werden, dort befindet sich heute der Garten mit der Nr. 86 A.
Chemnitz wurde nach dem Krieg wieder aufgebaut und in Karl-Marx-Stadt umbenannt. Auch der Dienstleistungsbereich in der Stadt wuchs weiter und es wurde geplant eine Großwäscherei zu bauen (heutiger Standort der Firma Japo). Zu diesem Zweck sollten die Gärten 1 bis 65 geräumt werden. Es ist hauptsächlich den Gartenfreunden Erich Schindler und Erwin Fröhner zu danken, dass ein Großteil der Gartenanlage erhalten werden konnte, trotzdem mussten „nur“ 10 Gärten weichen und deswegen beginnt unsere Gartenanlage mit der Nr. 11. Baubeginn der Großwäscherei war 1965.
Nachdem das Weiterbestehen der Sparte entschieden war, begann eine rege Tätigkeit zur Verschönerung der Anlage. 20.000 Mark der DDR aus Erlösen der Sparte wurden investiert, um das Gartenheim durch den Bau eines Bierkellers, eines Vereinszimmers und einem Küchenanbau zu erweitern.
1965 wurde die Trinkwasserleitung, die bisher nur für das Heim gelegt war, auch in alle Gärten erweitert.
Doch schon 1977 kam der nächste Schreck, denn da kam die Information, dass die angrenzende Großwäscherei auf Kosten der Gartenanlage erweitert werden sollte. Bis zur endgültigen Klärung, was nun wird, wurden nur Instandhaltungsmaßnahmen in der Sparte durchgeführt.
Erst 1979 kam vom Kreisvorstand der Kleingärtner die erlösende Bestätigung, dass die Gartenanlage bestehen bleibt. Jetzt konnten die geplante neue Toilettenanlage, ein Sozialraum für das inzwischen 4-köpfige Heimbewirtschaftungsteam und ein Anbau zum Flaschenbierverkauf gebaut werden. Für diese Investitionen wurden ca. 10.000 M der DDR benötigt und die Mitglieder haben über 2.500 Stunden geleistet. Diese Baumaßnahme wurde 1981 beendet.

1986 wurden die Außenwände des Vereinsheims durch massives Mauerwerk ersetzt und es wurde die optische Verschönerung der Außenfassade durchgeführt sowie die weitere Gestaltung der Außenanlage. Was folgte, war der rege Zuspruch durch die Mitglieder und Bürger der angrenzenden Wohngebiete, so dass in den Sommermonaten auch Mittagstisch angeboten wurde.
In diesem Vereinsheim fanden viele kulturelle Veranstaltungen statt, u. a. Weinfeste, Rentnerfeiern, Kappenabende und Silvesterfeiern, aber auch Fachvorträge zu den Mitgliederversammlungen.
Aufgrund der Mangelwirtschaft der DDR waren die Gartensparten angehalten, die Versorgung der Bevölkerung mit Obst und Gemüse mit zu sichern. Nach dem Leitspruch „Ein schöner Garten ist ein produktiver Garten“ gab auch die Gartensparte Abendfrieden ihren Beitrag zur besseren Versorgung. 1982 gelang es, pro 100 qm Gartenfläche 100 kg Obst und Gemüse zu ernten. Dieses Ergebnis wurde in den Folgejahren noch gesteigert, so dass z. B. 1988 21.111 kg Obst und Gemüse geerntet wurde. Das sind schon beeindruckende Zahlen.
Mit der Wende und dem Beitritt in die BRD wurde Karls-Marx-Stadt wieder in Chemnitz umbenannt, die Gesetzesgrundlage für die Kleingärtner änderte sich, es kam das Bundeskleingartengesetz und die Rahmenkleingartenordnung des Landesverbandes Sachsen der Kleingärtner e.V., was das Bewirtschaften eines Gartens in einem Gartenverein in der BRD bestimmt.
Wir hatten zwar keine Mangelwirtschaft mehr an Obst und Gemüse, mussten uns aber mit anderen Vorgaben und Auflagen befassen (z. B. Baugenehmigung bis einer bestimmten Laubengröße, Bestandsschutz, Anbau ja oder nein bestimmter Pflanzen usw.). Die Mitgliedsbeiträge stiegen und ebenso die Pacht/qm, so dass die Gebührenordnung und auch die Satzung des Vereins angepasst werden musste.

Ab 1998 begann vom damaligen Vorstand, Herrn Döring, ein reger Schriftverkehr mit dem Stadtverband der Kleingärtner Chemnitz, mit dem Stadtplanungsamt Chemnitz und weiteren Behörden, da ein vorzeitiger Bebauungsplan vom Stadtplanungsamt zum Bau eines Stadtteilparks in Brühl-Nord/Karree 34 mit gleichzeitiger Sanierung des Regenüberlaufs ins Haus flatterte. Das bedeutete für 14 Gärten der Kleingartensparte Abendfrieden die vorzeitige Gartenaufgabe. Sie hatten die Wahl auf Abfindung oder Übernahme eines anderen Gartens im Abendfrieden oder anderer Gartensparte.
Der Bau des Stadtteilparks wurde durchgeführt, mit Absenkung des Ufers der Chemnitz, wir kennen alle, was darauf folgte, die Gartensparte Abendfrieden war 2002, 2010 und 2013 vom Hochwasser betroffen und wurde überflutet.
Doch die Vereinsmitglieder gaben nie auf und haben immer wieder ihre Gärten und die Gartenanlage wieder hergerichtet.

2023 – wir feiern 120 Jahre Gartensparte Abendfrieden, man könnte noch viel erzählen und sicherlich sind viele Begebenheiten erwähnenswert, die jetzt hier nicht mit aufgeführt wurden.
Wir haben eine sehr schöne Gartenanlage, dies gilt es zu erhalten und zu bewahren. Es besteht eine hohe Nachfrage auf einen Garten in unserer Anlage, darüber sind wir sehr froh, denn es zeigt, dass das Kleingartenwesen in der Stadt eine Zukunft hat. Es liegt hauptsächlich an uns Vereinsmitgliedern, wie die Geschichte des Vereins weitergeschrieben wird.

Elke Künzel Vorstand